Obszön, nerdy und aus Japan: Anime im Fernsehen zu schauen galt in vielen Haushalten in Deutschland als verrufen. Diese Rezeption von Anime entspricht zugleich den exotisierenden Stereotypen, die der (vorgeblich gesittete) Westen auf Japan projiziert. In ihrer Diplomarbeit nutzt Miki Feller Anime als Medium, um über anti-asiatischen Rassismus zu sprechen. Entstanden sind drei Videoarbeiten, die sie in ihrer Ausstellung „Versuche zu überschreiben“ gezeigt hat. Jedes Video erzählt eine eigene Geschichte, die in Karlsruhe spielt, unter anderem am Bahnhof, am Zoo und am Schloss. Es sind Versuche, eine vorherrschend weiße Umgebung zu beschreiben, sich dazu zu positionieren und davon zu distanzieren.
Die Videos wurden in Zusammenarbeit mit folgenden Personen realisiert und ausgestellt: „Versuche zu überschreiben“ mit Max Mandery (Dramaturgische Beratung), Bruno Jacoby (Grafik), Leia Walz (Ausstellungsgestaltung), Jaya Demmer (Textil), Johannes Thimm und Lina Determann (Rampe) / „Auf dem Weg zum Bahnhof“ mit Bruno Jacoby (Grafik) / „Prolog: Im Zoo“ mit Sophia Stadler (Storyboard, Schnitt & Fotos) / „Germania Girl – Konzert im Schloss!“ mit Max Mandery (Dramaturgische Beratung), Bruno Jacoby (Grafik), Yun-Wen Liu (Fotos & Farbkorrektur), Vanessa Bosch (Musik), Ricarda Fischer (Musik & Sounddesign), Meret Bhend und Paulina Mimberg (Farbkorrektur), Luise Peschko (Dialog Editing) sowie Nele Faust, Alejandra Janus, Melanie Berner, Rita Andrulyte, Nini Lü, Jörg Stegmann, Laura Haak und Josefine Scheu (Stimmen).
Was bleibt von einem Jubiläum anlässlich 200 Jahre Badischer Kunstverein? Nach einer intensiven Recherche zu der Geschichte des Hauses und den Ausstellungen haben wir uns gefragt, was im vergangenen Jahr zur Sprache kam und was noch unbeantwortet blieb. Als Nachklang des Jubiläums möchten wir noch einmal auf eine Besonderheit der Kunstvereinsarbeit zurückkommen: Auf die Geschichte der Jahresgaben. Parallel zur Mitgliederausstellung war es nur möglich, einen kleinen Teil der noch vorhandenen Jahresgaben und Editionen zu präsentieren, dabei sind es gerade diese eher ephemeren und flexibleren Formate, die die unterschiedlichen Programmatiken des Kunstvereins auf signifikante Weise abbilden.
Entstanden ist eine Ausstellung fast aller noch vorhandenen Jahresgaben und Editionen aus den Jahren 1842 – 2017, von denen einige seit langer Zeit erstmals wieder öffentlich präsentiert werden. Unter den Arbeiten befinden sich einige in Vergessenheit geratene und vergriffene Editionen, die während der Recherchen für das 200-jährige Jubiläum wiederentdeckt oder von Mitgliedern für die Präsentation zur Verfügung gestellt wurden. Bemerkenswert sind zum Beispiel die aus dem Privatbesitz von Schloss Salem zur Verfügung gestellten Mappen mit Vereinsgaben aus den Jahren 1904 bis 1919, unter anderem die Grafik Marabu von Friedrich Barth. Die Ausstellung zeigt außerdem Werke aus dem frühen Kontext der Staatlichen Kunstakademie Karlsruhe, wie beispielsweise Arbeiten von Walter Conz und Hermann Kupferschmid. Außerdem zu sehen sind drei herausragende Drucke von Karl Hubbuch sowie Editionen von Otto Piene oder eine Arbeit von Wolf Vostell, der in der wegweisenden Gruppenausstellung Kunst und Politik (1970) vertreten war. Die Einordnung aller Arbeiten in die Ausstellungsgeschichte wird anhand von Plakaten, Katalogen und Schriftstücken visualisiert, zugleich soll das Prinzip der Jahresgaben und deren Genese kritisch untersucht werden.
Erstmalig beschäftigt sich ein Kunstverein mit diesem ihm eigenen Prinzip der Jahresgaben, die von ausgewählten Künstler*innen dem Verein zur Verfügung gestellt oder neu produziert werden, um sie anschließend an die Mitglieder zu verkaufen. Die Anfänge der Jahresgabenwerke sind dabei eng mit der Entstehungsgeschichte des Kunstmarktes verknüpft und einmal im Jahr wird der Kunstverein in den Kreislauf von Ankauf und Verkauf von Kunstwerken eingeschleust. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit der Presse für die Jahresgaben der Kunstvereine deutlich gestiegen, große Artikel in Die Zeit, der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung präsentieren einen Querschnitt der angebotenen Werke aus den Institutionen. Ebenso widmen sich internationale Kunstzeitschriften einer regelmäßigen Berichterstattung über das alljährliche Jahresgabenangebot. Die Preise sind verlockend, denn oftmals sind die Arbeiten unter Galeriepreis zu erhalten und schon längst sind die Werke nicht mehr nur Mitgliedern zugänglich, sondern oftmals auch für Nichtmitglieder – zumeist gegen einen Aufpreis – käuflich zu erwerben.
Ein Team aus Kunsthistoriker*innen, Kunstwissenschaftler*innen, Szenograf*innen und Gestalter*innen hat sich mit Fragen der Präsentation und Kontextualisierung der Jahresgaben im Badischen Kunstverein auseinandergesetzt. Für die Präsentation ist eine mehrdimensionale Ausstellungsstruktur entstanden, die sich durch alle Räume des Kunstvereins zieht. Diese Struktur entwickelt sich aus dem sukzessiven Abtragen der Oberflächen und macht das zugrunde liegende Rohmaterial sichtbar, um dadurch neue architektonische und inhaltliche Zusammenhänge zu verdeutlichen. Die Vielzahl der Gattungen und Medien der Jahresgaben wuchs in den letzten zwei Jahrhunderten:
Von Sammelmappen über Losverfahren bis hin zu individuell erwerblichen Editionen und Unikaten, durchlief das Konzept eine ähnliche Entwicklung wie die Programmatik der Kunstvereine. Der Fokus liegt dabei besonders auf den historischen Werken, die durch die Ausstellung aus multiplen Perspektiven neu betrachtet und positioniert werden.
Nicht nur die Jahresgaben haben eine lange Tradition, auch die Salongespräche gehen auf die Gründung des Kunstvereins zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Diesen Salon möchten wir im Rahmen unserer Reihe MITTWOCHS IM KUNSTVEREIN wieder aufleben lassen. Jeden Mittwoch während der Ausstellungsdauer wird es einen kurzen Vortrag, eine Bildbetrachtung oder einen performativen Beitrag in Bezug auf die Ausstellung und das Konzept der Jahresgaben geben. Die genaueren Informationen zu den Veranstaltungen entnehmen Sie bitte in Kürze unserer Website, den Auslagen in der Ausstellung und über unsere Sozialen Netzwerke.
Das 1953 von der UNESCO herausgegebene Manual of Travelling Exhibitions ist ein Handbuch zur Organisation von Wanderausstellungen. An Museen und andere öffentliche Institutionen gerichtet, formuliert es eine Grammatik des Ausstellens: von organisatorischen Fragen bis zum Ausstellungsdesign. Das „Manual“ liest sich aus heutiger Sicht wie ein Manifest einer noch ungebrochenen Moderne der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Ein umfangreich kommentierter Reprint des Manual of Travelling Exhibitions soll zum einen die historische Quelle kontextualisieren und kritisch hinterfragen, zum anderen verschiedene Formen der Aktualisierung aufzeigen. Dabei sind die Inhalte des „Manual“ ebenso bedeutsam wie seine immanenten Fehlstellen, die Buchgestaltung oder die fotografische Logik der Abbildungen.
Wie können wir fotografische Verfahren entwickeln, die nicht auf einem Ausbeutungsverhältnis der Umwelt beruhen, sondern vielmehr mit nicht-menschlichen Akteuren in Kollaboration treten? Wenn auch ein solches Unterfangen aufgrund der anthropozentrischen Perspektive zu kurz kommen muss, so eröffnet jenes unmögliche Driften hin zum pflanzlicheren Denken ein Spannungsfeld der künstlerischen Auseinandersetzung. Vom Flanieren in den Wäldern, dem Sammeln von Kräutern bis hin zur Ambivalenz zwischen städtischem Raum, pflanzlicher Peripherie und Ruderaler Vegetation – all jene dynamischen Wechselverhältnisse eines geteilten Habitats stellen den gedanklichen Ausgangspunkt der Arbeiten von “Photosymbiosen – On Co-Developing with Plant Accomplices” dar. Neben dem Bemühen um einen Fotografischen Blick, der sich ins mutuale Beziehungsgeflecht jener Co-Existenzen einfügt, steht das Bildgebungsverfahren analoger, nachhaltiger Fotografie im Fokus der Recherche. Denn jene alte Technik, die in Zeiten digitaler Bilderflut zunehmend ein Comeback erfährt, stellt vor einige Herausforderungen:
So basiert jenes Verfahren der Bilderzeugung auf der Lichtempfindlichkeit von Silberhalogenidkristallen, die in einer Gelatineemulsion auf einem Filmträger (zur Herstellung des Negativs) und auf Papier (zur Herstellung des Fotos) aufgebracht sind. Um die Kristalle in metallisches Silber umzuwandeln und so ein (negatives) Bild auf Film zu erhalten, beziehungsweise es dann auf Papier zu verarbeiten und zu vergrößern (positives fotografisches Bild), ist es notwendig, verschiedene, hochgiftige chemische Lösungen zu verwenden. Diese Produkte sind nicht nur gesundheitsgefährdend für diejenigen, die mit ihnen umgehen, sondern stellen auch eine große Quelle für die Verschmutzung von Gewässern, Pipelines und ganz allgemein der Umwelt dar – und müssen daher in besonderer Weise entsorgt und behandelt werden. Darüber hinaus ist nicht nur die Giftigkeit dieser Bildentwicklungsmethode problematisch, sondern auch ihr Medium. Die auf Film und Papier aufgebrachte Gelatine ist tierischen Ursprungs – in der Regel eine Rindergelatine – und wird damit Teil der vielfältigen Probleme der Fleischindustrie. Letztlich macht die Industrialisierung der analogen Fotografie, von ihren chemischen Komponenten bis hin zur Entwicklung der Fotos in Labors, ihre Anwender abhängig von vorgefertigten, in der Regel teuren Produkten.
Getragen von dem Wunsch, neue experimentelle Formen der Kreation zu erforschen und die Umweltbelastung durch jene fotografische Technik zu reflektieren, wurden so verschiedene alternative Verfahren zur Reduktion von Chemikalieneinsatz entwickelt. Dabei gaben verschiedene internationale Initiativen aus dem Bereich der nachhaltigen Fotografie Inspirationen zur Herstellung eigener Schwarz-Weiß-Entwickler, die auf regionalen und saisonalen Pflanzen der städtischen Umgebung Karlsruhes basieren (Kräuter, Blätter, Blumen, Baumrinde, Moos, Gemüse, etc.). Die ausgestellten Werke geben Einblicke in die experimentelle Forschung, eine ergänzende Website gibt weitere Informationen zu Dokumentationen wie auch Herstellungsverfahren und Recherchen.
"Über das Bekämpfen der Angst (vor der Welt)" ist eine spekulative Videoarbeit, die ein Spektrum von Phänomenen rund um Karten, Angst, Krieg, Reisen und den Körper abdeckt, wobei der Schwerpunkt auf der Praxis der Kartierung als Instrument zur Unterdrückung und Kontrolle von Land und Menschen liegt. Das Video versucht, einen Rahmen für das Thema zu schaffen, indem es viele verschiedene Geschichten zu einem Cluster zusammenführt, der vielleicht nicht repräsentativ ist, aber einige Teile des Themas beleuchtet. Ästhetisch und strukturell ist das Video von Rollenspielen, der Pre-Vis-Technik (die in Filmproduktionen verwendet wird) und Found Footage inspiriert. Das Szenario ist in einer fernen Zukunft angesiedelt, in der Klimawandel und Massenaussterben längst ihre Auswirkungen gezeigt haben und die Bestien, die vor der großen Kolonisierung über das Unbekannte wachten, zurückgekehrt sind. In der Rolle der Hauptfigur sucht der Zuschauer, angeleitet von einem Erzähler, nach Überresten der alten Welt, um zu verstehen, warum alles kartiert werden musste.
In Bearbeitung -Alpine Landschaften basiert auf dem fotografischen Nachlass des Geologen, Gletscherforschers, Skisportlers und Sportfunktionärs Wilhelm Paulcke, der einige tausend Aufnahmen aus dem Alpenraum enthält. Sie zeigen geologische Formationen und Gletscher, Staudämme‚ Berghütten und Siedlungen und entstanden teils für geologische und glaziologische Studien, aber auch als Reisedokumentation während beruflicher und privater Aufenthalte Paulckes in den Bergen zwischen 1890 und 1940.
Die erneute Aufnahme einiger der Fotografien von den gleichen Standpunkten rund 100 Jahre später dokumentiert die Entwicklung, die die fotografierten Orte genommen haben. Die möglichst exakte Wiederholung minimiert den Einfluss der Variable des Raumes auf das Bild, der zeitliche Vergleich wird um so prägnanter. Die Berge in ihrer stoischen Permanenz bieten den menschengemachten Veränderungen der in sie eingebetteten Landschaft eine Kulisse, aus der sie fast über deutlich hervortreten.
Durch die erfasste Zeitspanne über 100 Jahre gibt In Bearbeitung -Alpine Landschaften einen Einblick in Prozesse, die den möglichen Erfahrungshorizont eines Menschen übersteigen. Zum Teil sind es Prozesse der Domestizierung des Natur- und Lebensraums der Alpen, die sich in der Anpassung der Landschaft an zivilisatorische Bedürfnisse zeigen und in der Anpassung der Infrastruktur an steigende Bevölkerungs-und Besucherzahlen. An anderer Stelle lässt sich auf Vorgänge schließen, die auf größere, globale Veränderungen verweisen wie der schleichende Rückzug von Gletschern und die mit immer größerem Aufwand betriebene künstliche Aufrechterhaltung von befahrbaren Schneeflächen für den Wintersport.
Ergänzende Fotografien konkretisieren gezeigte Veränderungen; sie verdeutlichen, was in den vergleichenden Bildpaaren oft nur erahnt werden kann: Ursachen,Ausprägungen und Auswirkungen der Veränderungen auf Landschaft und Mensch. Thematisiert wird auch die Art der Beziehung des Menschen zur Alpenlandschaft, die sich in seinem Habitus beim Nutzen der Berge offenbart.
In Bearbeitung -Alpine Landschaften erzählt von der Prozesshaftigkeit intensiv genutzter Landschaften. Sie sind nie fertig, im Gegenteil: Je stärker sie raffiniert werden, desto mehr ordern die schon erfolgten Eingriffe weitere Anpassungen ein. In diesem Sinn stehen die gezeigten Landschaften synonym für viele Landschaften weltweit. deren Veränderungsrate diejenige natürlicher landschaftlicher Veränderungsprozesse um ein Vielfaches übersteigt.
HERBERGEN 4
SIEDLUNGEN 20
ENERGIE UND INFRASTRUKTUR 40
PISTEN 68
GLETSCHER 106
"Disparate Precedents of Display" untersucht die Art und Weise, wie der Raum auf die Besucher wirkt, und stellt Ausstellungsdesign als eine genuin politische Praxis dar, die auf der Vergangenheit aufbaut und von ihr erbt - von vergangenen Ausstellungen, einflussreichen Ausstellungsgestalter*innen und Konventionen der Präsentation, die in unterschiedlichen politischen Systemen wurzeln.
Zwei Ausstellungen, die vom deutschen Staat in Auftrag gegeben wurden, dienen als Fallstudien. "Gebt mir vier Jahre Zeit" war eine nationalsozialistische Propagandaschau, die 1937 in Berlin stattfand. Sie feierte die Umgestaltung aller Bereiche der Gesellschaft unter der nationalsozialistischen Herrschaft seit der Umsetzung von Adolf Hitlers Vierjahresplan. Einundzwanzig Jahre später beauftragte die Bundesrepublik Deutschland denselben Architekten mit der Gestaltung des deutschen Pavillons auf der Expo '58 in Brüssel. Auf der Weltausstellung hatte der junge Nachfolgestaat zum ersten Mal die Gelegenheit, die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Parameter des nunmehr demokratischen Deutschlands auf internationaler Ebene zu präsentieren. Beide Ausstellungen lassen sich als Repräsentationen staatlicher Macht und politischer Narrative beschreiben - die eine im Namen des Krieges, die andere im Namen der Humanität. Maßgeblich beteiligt an beiden Ausstellungen war Egon Eiermann als Ausstellungsarchitekt.
Performance: Anna K. Seidel
Outside Eye: Caroline Kapp, Manon Haase
Graphikdesign: Mona Mayer
Single line font EE_7475: Barbara Acevedo Strange, Moritz Appich
Coding: Frank Bublitz
Stimme: Liv Rahel Schwenk
Aufzeichnung: Florian Wulff
Video Dokumentation: Mustafa Emin Büyükcoşkun
Photographien: Lizzy Ellbrück
Editorial support: Joyce Moore
Copyediting: George MacBeth
Special Thanks to
Céline Condorelli, Hanne König, Sami Khatib, Lioudmila Voropai,
Julian Warner, Thomas Rustemeyer, Constanze Fischbeck,
Susanne Kriemann, Hans D. Christ und Iris Dressler, Judith Milz,
Christian Becker (Stadtarchiv Oranienburg), Mechthild Ebert (saai),
Janina Capelle, Lydia Kähny, Daniel Lythgoe, Tjark Schönfeld,
Alexander Knoppik, Lena Breitmoser, Sören Göbel, Jule Köpke, Arthur Schuman,
Jana Barthel and Danny Klein.
Gefördert von
Fonds Darstellende Künste (Rechercheförderung)
Rosa Luxemburg Stiftung Baden Württemberg