Würde man den Künstler danach fragen, würde er einem vermutlich die gleiche Auskunft geben, daher nehme ich an, dass auch ich alles Folgende sagen darf: Felix Buchholz hat in der Gellertstraße 14, einer alten Fabrikantenvilla in der Karlsruher Weststadt, im Juli 2018, die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter rekonstruiert. Die Wände und Decken dieser Rekonstruktion bestehen aus zusammengenähten Stoffen aus ebenjener Wohnung, die an einem nicht sichtbaren Hängekonstrukt angebracht sind. Man betritt die „Wohnung“, die Installation, per Konzept alleine, ohne Schuhe und solange man will. Als ich sie betrete, weiß ich, dass Felix Buchholz die einzige Person war, zu der seine Großmutter überhaupt noch Kontakt hatte vor ihrem Tod, er hat mir erzählt, wie ihre gemeinsamen Treffen verlaufen sind, was sie dann taten, wie es in ihrer Wohnung aussah, die sie zuletzt eigentlich kaum mehr verließ, was er über ihr Leben wusste, ihre Eigenheiten und Ansichten, und was das mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner eigenen Biografie zu tun hatte. Ich wusste, dass er eines Tages zu einem, wie immer, per Postkarte angekündigten Besuch vorbeikommen wollte und sie zum ersten Mal nicht öffnete, und dass, als die Polizei ihm ein paar Stunden später die Tür aufbrach, sich herausstellte, dass das nicht zum ersten Mal passierte, sondern bereits einige Tage zuvor das Gleiche passiert war, auf Anruf der Nachbarn hin, wegen des Geruchs. Und dass sie nur zwei Tage zuvor, vor seinem Besuch, alleine beerdigt worden sei. Von ihrer eigenen Beerdigung hatte sie eine genaue Vorstellung, die sie mit Felix abgesprochen hatte. So ist es unweit mehr als eine verpasste Chance, ein Abschiedsritual, bei dem allen voran Felix Buchholz nicht Abschied nehmen konnte.
Als ich die Installation betrete, habe ich im Nacken, die Vorstellung ebenjener Person und so mein ich dann manchmal mich umdrehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass ich allein in der Stoffwohnung bin. Ich geh ins Wohn-/Schlafzimmer, dort steht, zentral, ein Bett, ein Sarg, eine Totenaufbahrung, in die man sich legen kann, oder soll, oder man soll sich zumindest fragen ob man sich hineinlegen soll oder eben nicht. Oben drauf ist Lavendel gepflanzt, Stoffe, Motten, Lavendel, und als ich mich hinlege gehen drinnen im Sarkophag hinter Stoff verkleidete Leuchtstoffröhren an, sie klicken und brummen, und ich erschrecke mich zu Tode. Ein bisschen ist das jetzt wie auf dem Seziertisch zu liegen, aber es ist auch nicht so unangenehm, dass ich sofort wieder gehen möchte. Beobachtet komme ich mir noch immer vor, so, als ob ich durch die von außen beleuchteten dünnen Stoffwände von dem Künstler, also Felix Buchholz, vielleicht beobachtet werden würde.
Deutungshoheit zu haben ist ein genuin künstlerisches Moment, nur, je mehr eine Geschichte den Anspruch auf eine individuelle Erfahrung, oder Authentizität hat, desto schleichender kommt die Einsicht, dass mit dem angenommenen Tod seiner Großmutter Felix in jeglichen Sinne zu ihrem Alleinerben geworden ist, zur Deutungshoheit auch über ihr Leben, und so zelebriert er hier eine zweite Totenwache. Im Bad geht ein Fön an, ich denke, aha, es ist doch jemand zweites hier, vorher erschrecke ich zu Tode durch das Geräusch, das mich aus meiner arglosen Haltung, der kontemplativen Situation reist. Ich schleiche mich ins Bad, wo einige Föns von der Decke hängen, die jetzt wild im Raum hin- und herschlackern, vom Rückstoß des Föndrucks, der aus dem Nichts gekommen sein muss. Im Flur, der auch, weiß ich, hat er mir erzählt, als Küche genutzt wurde, gibt es ein kleines Stoffloch, eine Höhle für den Kopf in der Wand, eine Aufforderung sich auf den Rücken zu legen und das darin laufende Video über sich anzusehen, von der originalen, nur leergeräumten Wohnung, während Felix die Wohnung beschreibt. Während ich da liege und meine Füße, abgetrennt von meinem Kopf aufgestellt in dem Flur seiner verstorbenen Großmutter liegen, denke ich, wenn sie das sehen könnte, das wäre eine sehr schöne One Minute Sculpture. Also, ich werde das Gefühl nicht los, man beobachtet mich.
35qm sind es insgesamt, einmal geh ich noch durch die Wohnung, auf dem Weg nach draußen ziehe ich meine Schuhe wieder an, ihre stehen noch immer fein aufgereiht da. Im Foyer der Gellertstraße 14, in dem man sich jetzt wieder befindet, findet man auf dem dort an der Treppe angebrachten Lift liegt ein bedrucktes Handtuch liegen, bedruckt mit einem Foto der Frau, die Felix Großmutter ist. Sie hat ein Kleidungsstück mit Leoprint an und sieht sehr schick aus damit, ein bisschen makaber ist das schon, sie liegt da so flach auf dem Treppenlift, sieht aber ganz zufrieden dabei aus. Daneben findet sich am Boden so eine Art Schrein, und über all dem hängt eine schwarze Flagge, eben, Totenwache. Und Felix, der Totenwächter?, weil, was man nicht vergessen darf, niemand hat sich die Ausstellung angesehen, ohne, dass er die Haustür geöffnet hat, und ohne, dass er wieder da war, wenn man rauskam. Wenn man dann mit ihm gesprochen hat, haben drinnen die Föns immer noch weitergeturnt von Zeit zu Zeit und vielleicht hat er einem dann erst mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Text von Judith Milz.
Würde man den Künstler danach fragen, würde er einem vermutlich die gleiche Auskunft geben, daher nehme ich an, dass auch ich alles Folgende sagen darf: Felix Buchholz hat in der Gellertstraße 14, einer alten Fabrikantenvilla in der Karlsruher Weststadt, im Juli 2018, die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter rekonstruiert. Die Wände und Decken dieser Rekonstruktion bestehen aus zusammengenähten Stoffen aus ebenjener Wohnung, die an einem nicht sichtbaren Hängekonstrukt angebracht sind. Man betritt die „Wohnung“, die Installation, per Konzept alleine, ohne Schuhe und solange man will. Als ich sie betrete, weiß ich, dass Felix Buchholz die einzige Person war, zu der seine Großmutter überhaupt noch Kontakt hatte vor ihrem Tod, er hat mir erzählt, wie ihre gemeinsamen Treffen verlaufen sind, was sie dann taten, wie es in ihrer Wohnung aussah, die sie zuletzt eigentlich kaum mehr verließ, was er über ihr Leben wusste, ihre Eigenheiten und Ansichten, und was das mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner eigenen Biografie zu tun hatte. Ich wusste, dass er eines Tages zu einem, wie immer, per Postkarte angekündigten Besuch vorbeikommen wollte und sie zum ersten Mal nicht öffnete, und dass, als die Polizei ihm ein paar Stunden später die Tür aufbrach, sich herausstellte, dass das nicht zum ersten Mal passierte, sondern bereits einige Tage zuvor das Gleiche passiert war, auf Anruf der Nachbarn hin, wegen des Geruchs. Und dass sie nur zwei Tage zuvor, vor seinem Besuch, alleine beerdigt worden sei. Von ihrer eigenen Beerdigung hatte sie eine genaue Vorstellung, die sie mit Felix abgesprochen hatte. So ist es unweit mehr als eine verpasste Chance, ein Abschiedsritual, bei dem allen voran Felix Buchholz nicht Abschied nehmen konnte.
Als ich die Installation betrete, habe ich im Nacken, die Vorstellung ebenjener Person und so mein ich dann manchmal mich umdrehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass ich allein in der Stoffwohnung bin. Ich geh ins Wohn-/Schlafzimmer, dort steht, zentral, ein Bett, ein Sarg, eine Totenaufbahrung, in die man sich legen kann, oder soll, oder man soll sich zumindest fragen ob man sich hineinlegen soll oder eben nicht. Oben drauf ist Lavendel gepflanzt, Stoffe, Motten, Lavendel, und als ich mich hinlege gehen drinnen im Sarkophag hinter Stoff verkleidete Leuchtstoffröhren an, sie klicken und brummen, und ich erschrecke mich zu Tode. Ein bisschen ist das jetzt wie auf dem Seziertisch zu liegen, aber es ist auch nicht so unangenehm, dass ich sofort wieder gehen möchte. Beobachtet komme ich mir noch immer vor, so, als ob ich durch die von außen beleuchteten dünnen Stoffwände von dem Künstler, also Felix Buchholz, vielleicht beobachtet werden würde.
Deutungshoheit zu haben ist ein genuin künstlerisches Moment, nur, je mehr eine Geschichte den Anspruch auf eine individuelle Erfahrung, oder Authentizität hat, desto schleichender kommt die Einsicht, dass mit dem angenommenen Tod seiner Großmutter Felix in jeglichen Sinne zu ihrem Alleinerben geworden ist, zur Deutungshoheit auch über ihr Leben, und so zelebriert er hier eine zweite Totenwache. Im Bad geht ein Fön an, ich denke, aha, es ist doch jemand zweites hier, vorher erschrecke ich zu Tode durch das Geräusch, das mich aus meiner arglosen Haltung, der kontemplativen Situation reist. Ich schleiche mich ins Bad, wo einige Föns von der Decke hängen, die jetzt wild im Raum hin- und herschlackern, vom Rückstoß des Föndrucks, der aus dem Nichts gekommen sein muss. Im Flur, der auch, weiß ich, hat er mir erzählt, als Küche genutzt wurde, gibt es ein kleines Stoffloch, eine Höhle für den Kopf in der Wand, eine Aufforderung sich auf den Rücken zu legen und das darin laufende Video über sich anzusehen, von der originalen, nur leergeräumten Wohnung, während Felix die Wohnung beschreibt. Während ich da liege und meine Füße, abgetrennt von meinem Kopf aufgestellt in dem Flur seiner verstorbenen Großmutter liegen, denke ich, wenn sie das sehen könnte, das wäre eine sehr schöne One Minute Sculpture. Also, ich werde das Gefühl nicht los, man beobachtet mich.
35qm sind es insgesamt, einmal geh ich noch durch die Wohnung, auf dem Weg nach draußen ziehe ich meine Schuhe wieder an, ihre stehen noch immer fein aufgereiht da. Im Foyer der Gellertstraße 14, in dem man sich jetzt wieder befindet, findet man auf dem dort an der Treppe angebrachten Lift liegt ein bedrucktes Handtuch liegen, bedruckt mit einem Foto der Frau, die Felix Großmutter ist. Sie hat ein Kleidungsstück mit Leoprint an und sieht sehr schick aus damit, ein bisschen makaber ist das schon, sie liegt da so flach auf dem Treppenlift, sieht aber ganz zufrieden dabei aus. Daneben findet sich am Boden so eine Art Schrein, und über all dem hängt eine schwarze Flagge, eben, Totenwache. Und Felix, der Totenwächter?, weil, was man nicht vergessen darf, niemand hat sich die Ausstellung angesehen, ohne, dass er die Haustür geöffnet hat, und ohne, dass er wieder da war, wenn man rauskam. Wenn man dann mit ihm gesprochen hat, haben drinnen die Föns immer noch weitergeturnt von Zeit zu Zeit und vielleicht hat er einem dann erst mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Text von Judith Milz.
Würde man den Künstler danach fragen, würde er einem vermutlich die gleiche Auskunft geben, daher nehme ich an, dass auch ich alles Folgende sagen darf: Felix Buchholz hat in der Gellertstraße 14, einer alten Fabrikantenvilla in der Karlsruher Weststadt, im Juli 2018, die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter rekonstruiert. Die Wände und Decken dieser Rekonstruktion bestehen aus zusammengenähten Stoffen aus ebenjener Wohnung, die an einem nicht sichtbaren Hängekonstrukt angebracht sind. Man betritt die „Wohnung“, die Installation, per Konzept alleine, ohne Schuhe und solange man will. Als ich sie betrete, weiß ich, dass Felix Buchholz die einzige Person war, zu der seine Großmutter überhaupt noch Kontakt hatte vor ihrem Tod, er hat mir erzählt, wie ihre gemeinsamen Treffen verlaufen sind, was sie dann taten, wie es in ihrer Wohnung aussah, die sie zuletzt eigentlich kaum mehr verließ, was er über ihr Leben wusste, ihre Eigenheiten und Ansichten, und was das mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner eigenen Biografie zu tun hatte. Ich wusste, dass er eines Tages zu einem, wie immer, per Postkarte angekündigten Besuch vorbeikommen wollte und sie zum ersten Mal nicht öffnete, und dass, als die Polizei ihm ein paar Stunden später die Tür aufbrach, sich herausstellte, dass das nicht zum ersten Mal passierte, sondern bereits einige Tage zuvor das Gleiche passiert war, auf Anruf der Nachbarn hin, wegen des Geruchs. Und dass sie nur zwei Tage zuvor, vor seinem Besuch, alleine beerdigt worden sei. Von ihrer eigenen Beerdigung hatte sie eine genaue Vorstellung, die sie mit Felix abgesprochen hatte. So ist es unweit mehr als eine verpasste Chance, ein Abschiedsritual, bei dem allen voran Felix Buchholz nicht Abschied nehmen konnte.
Als ich die Installation betrete, habe ich im Nacken, die Vorstellung ebenjener Person und so mein ich dann manchmal mich umdrehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass ich allein in der Stoffwohnung bin. Ich geh ins Wohn-/Schlafzimmer, dort steht, zentral, ein Bett, ein Sarg, eine Totenaufbahrung, in die man sich legen kann, oder soll, oder man soll sich zumindest fragen ob man sich hineinlegen soll oder eben nicht. Oben drauf ist Lavendel gepflanzt, Stoffe, Motten, Lavendel, und als ich mich hinlege gehen drinnen im Sarkophag hinter Stoff verkleidete Leuchtstoffröhren an, sie klicken und brummen, und ich erschrecke mich zu Tode. Ein bisschen ist das jetzt wie auf dem Seziertisch zu liegen, aber es ist auch nicht so unangenehm, dass ich sofort wieder gehen möchte. Beobachtet komme ich mir noch immer vor, so, als ob ich durch die von außen beleuchteten dünnen Stoffwände von dem Künstler, also Felix Buchholz, vielleicht beobachtet werden würde.
Deutungshoheit zu haben ist ein genuin künstlerisches Moment, nur, je mehr eine Geschichte den Anspruch auf eine individuelle Erfahrung, oder Authentizität hat, desto schleichender kommt die Einsicht, dass mit dem angenommenen Tod seiner Großmutter Felix in jeglichen Sinne zu ihrem Alleinerben geworden ist, zur Deutungshoheit auch über ihr Leben, und so zelebriert er hier eine zweite Totenwache. Im Bad geht ein Fön an, ich denke, aha, es ist doch jemand zweites hier, vorher erschrecke ich zu Tode durch das Geräusch, das mich aus meiner arglosen Haltung, der kontemplativen Situation reist. Ich schleiche mich ins Bad, wo einige Föns von der Decke hängen, die jetzt wild im Raum hin- und herschlackern, vom Rückstoß des Föndrucks, der aus dem Nichts gekommen sein muss. Im Flur, der auch, weiß ich, hat er mir erzählt, als Küche genutzt wurde, gibt es ein kleines Stoffloch, eine Höhle für den Kopf in der Wand, eine Aufforderung sich auf den Rücken zu legen und das darin laufende Video über sich anzusehen, von der originalen, nur leergeräumten Wohnung, während Felix die Wohnung beschreibt. Während ich da liege und meine Füße, abgetrennt von meinem Kopf aufgestellt in dem Flur seiner verstorbenen Großmutter liegen, denke ich, wenn sie das sehen könnte, das wäre eine sehr schöne One Minute Sculpture. Also, ich werde das Gefühl nicht los, man beobachtet mich.
35qm sind es insgesamt, einmal geh ich noch durch die Wohnung, auf dem Weg nach draußen ziehe ich meine Schuhe wieder an, ihre stehen noch immer fein aufgereiht da. Im Foyer der Gellertstraße 14, in dem man sich jetzt wieder befindet, findet man auf dem dort an der Treppe angebrachten Lift liegt ein bedrucktes Handtuch liegen, bedruckt mit einem Foto der Frau, die Felix Großmutter ist. Sie hat ein Kleidungsstück mit Leoprint an und sieht sehr schick aus damit, ein bisschen makaber ist das schon, sie liegt da so flach auf dem Treppenlift, sieht aber ganz zufrieden dabei aus. Daneben findet sich am Boden so eine Art Schrein, und über all dem hängt eine schwarze Flagge, eben, Totenwache. Und Felix, der Totenwächter?, weil, was man nicht vergessen darf, niemand hat sich die Ausstellung angesehen, ohne, dass er die Haustür geöffnet hat, und ohne, dass er wieder da war, wenn man rauskam. Wenn man dann mit ihm gesprochen hat, haben drinnen die Föns immer noch weitergeturnt von Zeit zu Zeit und vielleicht hat er einem dann erst mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Text von Judith Milz.
Würde man den Künstler danach fragen, würde er einem vermutlich die gleiche Auskunft geben, daher nehme ich an, dass auch ich alles Folgende sagen darf: Felix Buchholz hat in der Gellertstraße 14, einer alten Fabrikantenvilla in der Karlsruher Weststadt, im Juli 2018, die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter rekonstruiert. Die Wände und Decken dieser Rekonstruktion bestehen aus zusammengenähten Stoffen aus ebenjener Wohnung, die an einem nicht sichtbaren Hängekonstrukt angebracht sind. Man betritt die „Wohnung“, die Installation, per Konzept alleine, ohne Schuhe und solange man will. Als ich sie betrete, weiß ich, dass Felix Buchholz die einzige Person war, zu der seine Großmutter überhaupt noch Kontakt hatte vor ihrem Tod, er hat mir erzählt, wie ihre gemeinsamen Treffen verlaufen sind, was sie dann taten, wie es in ihrer Wohnung aussah, die sie zuletzt eigentlich kaum mehr verließ, was er über ihr Leben wusste, ihre Eigenheiten und Ansichten, und was das mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner eigenen Biografie zu tun hatte. Ich wusste, dass er eines Tages zu einem, wie immer, per Postkarte angekündigten Besuch vorbeikommen wollte und sie zum ersten Mal nicht öffnete, und dass, als die Polizei ihm ein paar Stunden später die Tür aufbrach, sich herausstellte, dass das nicht zum ersten Mal passierte, sondern bereits einige Tage zuvor das Gleiche passiert war, auf Anruf der Nachbarn hin, wegen des Geruchs. Und dass sie nur zwei Tage zuvor, vor seinem Besuch, alleine beerdigt worden sei. Von ihrer eigenen Beerdigung hatte sie eine genaue Vorstellung, die sie mit Felix abgesprochen hatte. So ist es unweit mehr als eine verpasste Chance, ein Abschiedsritual, bei dem allen voran Felix Buchholz nicht Abschied nehmen konnte.
Als ich die Installation betrete, habe ich im Nacken, die Vorstellung ebenjener Person und so mein ich dann manchmal mich umdrehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass ich allein in der Stoffwohnung bin. Ich geh ins Wohn-/Schlafzimmer, dort steht, zentral, ein Bett, ein Sarg, eine Totenaufbahrung, in die man sich legen kann, oder soll, oder man soll sich zumindest fragen ob man sich hineinlegen soll oder eben nicht. Oben drauf ist Lavendel gepflanzt, Stoffe, Motten, Lavendel, und als ich mich hinlege gehen drinnen im Sarkophag hinter Stoff verkleidete Leuchtstoffröhren an, sie klicken und brummen, und ich erschrecke mich zu Tode. Ein bisschen ist das jetzt wie auf dem Seziertisch zu liegen, aber es ist auch nicht so unangenehm, dass ich sofort wieder gehen möchte. Beobachtet komme ich mir noch immer vor, so, als ob ich durch die von außen beleuchteten dünnen Stoffwände von dem Künstler, also Felix Buchholz, vielleicht beobachtet werden würde.
Deutungshoheit zu haben ist ein genuin künstlerisches Moment, nur, je mehr eine Geschichte den Anspruch auf eine individuelle Erfahrung, oder Authentizität hat, desto schleichender kommt die Einsicht, dass mit dem angenommenen Tod seiner Großmutter Felix in jeglichen Sinne zu ihrem Alleinerben geworden ist, zur Deutungshoheit auch über ihr Leben, und so zelebriert er hier eine zweite Totenwache. Im Bad geht ein Fön an, ich denke, aha, es ist doch jemand zweites hier, vorher erschrecke ich zu Tode durch das Geräusch, das mich aus meiner arglosen Haltung, der kontemplativen Situation reist. Ich schleiche mich ins Bad, wo einige Föns von der Decke hängen, die jetzt wild im Raum hin- und herschlackern, vom Rückstoß des Föndrucks, der aus dem Nichts gekommen sein muss. Im Flur, der auch, weiß ich, hat er mir erzählt, als Küche genutzt wurde, gibt es ein kleines Stoffloch, eine Höhle für den Kopf in der Wand, eine Aufforderung sich auf den Rücken zu legen und das darin laufende Video über sich anzusehen, von der originalen, nur leergeräumten Wohnung, während Felix die Wohnung beschreibt. Während ich da liege und meine Füße, abgetrennt von meinem Kopf aufgestellt in dem Flur seiner verstorbenen Großmutter liegen, denke ich, wenn sie das sehen könnte, das wäre eine sehr schöne One Minute Sculpture. Also, ich werde das Gefühl nicht los, man beobachtet mich.
35qm sind es insgesamt, einmal geh ich noch durch die Wohnung, auf dem Weg nach draußen ziehe ich meine Schuhe wieder an, ihre stehen noch immer fein aufgereiht da. Im Foyer der Gellertstraße 14, in dem man sich jetzt wieder befindet, findet man auf dem dort an der Treppe angebrachten Lift liegt ein bedrucktes Handtuch liegen, bedruckt mit einem Foto der Frau, die Felix Großmutter ist. Sie hat ein Kleidungsstück mit Leoprint an und sieht sehr schick aus damit, ein bisschen makaber ist das schon, sie liegt da so flach auf dem Treppenlift, sieht aber ganz zufrieden dabei aus. Daneben findet sich am Boden so eine Art Schrein, und über all dem hängt eine schwarze Flagge, eben, Totenwache. Und Felix, der Totenwächter?, weil, was man nicht vergessen darf, niemand hat sich die Ausstellung angesehen, ohne, dass er die Haustür geöffnet hat, und ohne, dass er wieder da war, wenn man rauskam. Wenn man dann mit ihm gesprochen hat, haben drinnen die Föns immer noch weitergeturnt von Zeit zu Zeit und vielleicht hat er einem dann erst mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Text von Judith Milz.
Würde man den Künstler danach fragen, würde er einem vermutlich die gleiche Auskunft geben, daher nehme ich an, dass auch ich alles Folgende sagen darf: Felix Buchholz hat in der Gellertstraße 14, einer alten Fabrikantenvilla in der Karlsruher Weststadt, im Juli 2018, die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter rekonstruiert. Die Wände und Decken dieser Rekonstruktion bestehen aus zusammengenähten Stoffen aus ebenjener Wohnung, die an einem nicht sichtbaren Hängekonstrukt angebracht sind. Man betritt die „Wohnung“, die Installation, per Konzept alleine, ohne Schuhe und solange man will. Als ich sie betrete, weiß ich, dass Felix Buchholz die einzige Person war, zu der seine Großmutter überhaupt noch Kontakt hatte vor ihrem Tod, er hat mir erzählt, wie ihre gemeinsamen Treffen verlaufen sind, was sie dann taten, wie es in ihrer Wohnung aussah, die sie zuletzt eigentlich kaum mehr verließ, was er über ihr Leben wusste, ihre Eigenheiten und Ansichten, und was das mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner eigenen Biografie zu tun hatte. Ich wusste, dass er eines Tages zu einem, wie immer, per Postkarte angekündigten Besuch vorbeikommen wollte und sie zum ersten Mal nicht öffnete, und dass, als die Polizei ihm ein paar Stunden später die Tür aufbrach, sich herausstellte, dass das nicht zum ersten Mal passierte, sondern bereits einige Tage zuvor das Gleiche passiert war, auf Anruf der Nachbarn hin, wegen des Geruchs. Und dass sie nur zwei Tage zuvor, vor seinem Besuch, alleine beerdigt worden sei. Von ihrer eigenen Beerdigung hatte sie eine genaue Vorstellung, die sie mit Felix abgesprochen hatte. So ist es unweit mehr als eine verpasste Chance, ein Abschiedsritual, bei dem allen voran Felix Buchholz nicht Abschied nehmen konnte.
Als ich die Installation betrete, habe ich im Nacken, die Vorstellung ebenjener Person und so mein ich dann manchmal mich umdrehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass ich allein in der Stoffwohnung bin. Ich geh ins Wohn-/Schlafzimmer, dort steht, zentral, ein Bett, ein Sarg, eine Totenaufbahrung, in die man sich legen kann, oder soll, oder man soll sich zumindest fragen ob man sich hineinlegen soll oder eben nicht. Oben drauf ist Lavendel gepflanzt, Stoffe, Motten, Lavendel, und als ich mich hinlege gehen drinnen im Sarkophag hinter Stoff verkleidete Leuchtstoffröhren an, sie klicken und brummen, und ich erschrecke mich zu Tode. Ein bisschen ist das jetzt wie auf dem Seziertisch zu liegen, aber es ist auch nicht so unangenehm, dass ich sofort wieder gehen möchte. Beobachtet komme ich mir noch immer vor, so, als ob ich durch die von außen beleuchteten dünnen Stoffwände von dem Künstler, also Felix Buchholz, vielleicht beobachtet werden würde.
Deutungshoheit zu haben ist ein genuin künstlerisches Moment, nur, je mehr eine Geschichte den Anspruch auf eine individuelle Erfahrung, oder Authentizität hat, desto schleichender kommt die Einsicht, dass mit dem angenommenen Tod seiner Großmutter Felix in jeglichen Sinne zu ihrem Alleinerben geworden ist, zur Deutungshoheit auch über ihr Leben, und so zelebriert er hier eine zweite Totenwache. Im Bad geht ein Fön an, ich denke, aha, es ist doch jemand zweites hier, vorher erschrecke ich zu Tode durch das Geräusch, das mich aus meiner arglosen Haltung, der kontemplativen Situation reist. Ich schleiche mich ins Bad, wo einige Föns von der Decke hängen, die jetzt wild im Raum hin- und herschlackern, vom Rückstoß des Föndrucks, der aus dem Nichts gekommen sein muss. Im Flur, der auch, weiß ich, hat er mir erzählt, als Küche genutzt wurde, gibt es ein kleines Stoffloch, eine Höhle für den Kopf in der Wand, eine Aufforderung sich auf den Rücken zu legen und das darin laufende Video über sich anzusehen, von der originalen, nur leergeräumten Wohnung, während Felix die Wohnung beschreibt. Während ich da liege und meine Füße, abgetrennt von meinem Kopf aufgestellt in dem Flur seiner verstorbenen Großmutter liegen, denke ich, wenn sie das sehen könnte, das wäre eine sehr schöne One Minute Sculpture. Also, ich werde das Gefühl nicht los, man beobachtet mich.
35qm sind es insgesamt, einmal geh ich noch durch die Wohnung, auf dem Weg nach draußen ziehe ich meine Schuhe wieder an, ihre stehen noch immer fein aufgereiht da. Im Foyer der Gellertstraße 14, in dem man sich jetzt wieder befindet, findet man auf dem dort an der Treppe angebrachten Lift liegt ein bedrucktes Handtuch liegen, bedruckt mit einem Foto der Frau, die Felix Großmutter ist. Sie hat ein Kleidungsstück mit Leoprint an und sieht sehr schick aus damit, ein bisschen makaber ist das schon, sie liegt da so flach auf dem Treppenlift, sieht aber ganz zufrieden dabei aus. Daneben findet sich am Boden so eine Art Schrein, und über all dem hängt eine schwarze Flagge, eben, Totenwache. Und Felix, der Totenwächter?, weil, was man nicht vergessen darf, niemand hat sich die Ausstellung angesehen, ohne, dass er die Haustür geöffnet hat, und ohne, dass er wieder da war, wenn man rauskam. Wenn man dann mit ihm gesprochen hat, haben drinnen die Föns immer noch weitergeturnt von Zeit zu Zeit und vielleicht hat er einem dann erst mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Text von Judith Milz.
Würde man den Künstler danach fragen, würde er einem vermutlich die gleiche Auskunft geben, daher nehme ich an, dass auch ich alles Folgende sagen darf: Felix Buchholz hat in der Gellertstraße 14, einer alten Fabrikantenvilla in der Karlsruher Weststadt, im Juli 2018, die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter rekonstruiert. Die Wände und Decken dieser Rekonstruktion bestehen aus zusammengenähten Stoffen aus ebenjener Wohnung, die an einem nicht sichtbaren Hängekonstrukt angebracht sind. Man betritt die „Wohnung“, die Installation, per Konzept alleine, ohne Schuhe und solange man will. Als ich sie betrete, weiß ich, dass Felix Buchholz die einzige Person war, zu der seine Großmutter überhaupt noch Kontakt hatte vor ihrem Tod, er hat mir erzählt, wie ihre gemeinsamen Treffen verlaufen sind, was sie dann taten, wie es in ihrer Wohnung aussah, die sie zuletzt eigentlich kaum mehr verließ, was er über ihr Leben wusste, ihre Eigenheiten und Ansichten, und was das mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner eigenen Biografie zu tun hatte. Ich wusste, dass er eines Tages zu einem, wie immer, per Postkarte angekündigten Besuch vorbeikommen wollte und sie zum ersten Mal nicht öffnete, und dass, als die Polizei ihm ein paar Stunden später die Tür aufbrach, sich herausstellte, dass das nicht zum ersten Mal passierte, sondern bereits einige Tage zuvor das Gleiche passiert war, auf Anruf der Nachbarn hin, wegen des Geruchs. Und dass sie nur zwei Tage zuvor, vor seinem Besuch, alleine beerdigt worden sei. Von ihrer eigenen Beerdigung hatte sie eine genaue Vorstellung, die sie mit Felix abgesprochen hatte. So ist es unweit mehr als eine verpasste Chance, ein Abschiedsritual, bei dem allen voran Felix Buchholz nicht Abschied nehmen konnte.
Als ich die Installation betrete, habe ich im Nacken, die Vorstellung ebenjener Person und so mein ich dann manchmal mich umdrehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass ich allein in der Stoffwohnung bin. Ich geh ins Wohn-/Schlafzimmer, dort steht, zentral, ein Bett, ein Sarg, eine Totenaufbahrung, in die man sich legen kann, oder soll, oder man soll sich zumindest fragen ob man sich hineinlegen soll oder eben nicht. Oben drauf ist Lavendel gepflanzt, Stoffe, Motten, Lavendel, und als ich mich hinlege gehen drinnen im Sarkophag hinter Stoff verkleidete Leuchtstoffröhren an, sie klicken und brummen, und ich erschrecke mich zu Tode. Ein bisschen ist das jetzt wie auf dem Seziertisch zu liegen, aber es ist auch nicht so unangenehm, dass ich sofort wieder gehen möchte. Beobachtet komme ich mir noch immer vor, so, als ob ich durch die von außen beleuchteten dünnen Stoffwände von dem Künstler, also Felix Buchholz, vielleicht beobachtet werden würde.
Deutungshoheit zu haben ist ein genuin künstlerisches Moment, nur, je mehr eine Geschichte den Anspruch auf eine individuelle Erfahrung, oder Authentizität hat, desto schleichender kommt die Einsicht, dass mit dem angenommenen Tod seiner Großmutter Felix in jeglichen Sinne zu ihrem Alleinerben geworden ist, zur Deutungshoheit auch über ihr Leben, und so zelebriert er hier eine zweite Totenwache. Im Bad geht ein Fön an, ich denke, aha, es ist doch jemand zweites hier, vorher erschrecke ich zu Tode durch das Geräusch, das mich aus meiner arglosen Haltung, der kontemplativen Situation reist. Ich schleiche mich ins Bad, wo einige Föns von der Decke hängen, die jetzt wild im Raum hin- und herschlackern, vom Rückstoß des Föndrucks, der aus dem Nichts gekommen sein muss. Im Flur, der auch, weiß ich, hat er mir erzählt, als Küche genutzt wurde, gibt es ein kleines Stoffloch, eine Höhle für den Kopf in der Wand, eine Aufforderung sich auf den Rücken zu legen und das darin laufende Video über sich anzusehen, von der originalen, nur leergeräumten Wohnung, während Felix die Wohnung beschreibt. Während ich da liege und meine Füße, abgetrennt von meinem Kopf aufgestellt in dem Flur seiner verstorbenen Großmutter liegen, denke ich, wenn sie das sehen könnte, das wäre eine sehr schöne One Minute Sculpture. Also, ich werde das Gefühl nicht los, man beobachtet mich.
35qm sind es insgesamt, einmal geh ich noch durch die Wohnung, auf dem Weg nach draußen ziehe ich meine Schuhe wieder an, ihre stehen noch immer fein aufgereiht da. Im Foyer der Gellertstraße 14, in dem man sich jetzt wieder befindet, findet man auf dem dort an der Treppe angebrachten Lift liegt ein bedrucktes Handtuch liegen, bedruckt mit einem Foto der Frau, die Felix Großmutter ist. Sie hat ein Kleidungsstück mit Leoprint an und sieht sehr schick aus damit, ein bisschen makaber ist das schon, sie liegt da so flach auf dem Treppenlift, sieht aber ganz zufrieden dabei aus. Daneben findet sich am Boden so eine Art Schrein, und über all dem hängt eine schwarze Flagge, eben, Totenwache. Und Felix, der Totenwächter?, weil, was man nicht vergessen darf, niemand hat sich die Ausstellung angesehen, ohne, dass er die Haustür geöffnet hat, und ohne, dass er wieder da war, wenn man rauskam. Wenn man dann mit ihm gesprochen hat, haben drinnen die Föns immer noch weitergeturnt von Zeit zu Zeit und vielleicht hat er einem dann erst mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Text von Judith Milz.
Würde man den Künstler danach fragen, würde er einem vermutlich die gleiche Auskunft geben, daher nehme ich an, dass auch ich alles Folgende sagen darf: Felix Buchholz hat in der Gellertstraße 14, einer alten Fabrikantenvilla in der Karlsruher Weststadt, im Juli 2018, die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter rekonstruiert. Die Wände und Decken dieser Rekonstruktion bestehen aus zusammengenähten Stoffen aus ebenjener Wohnung, die an einem nicht sichtbaren Hängekonstrukt angebracht sind. Man betritt die „Wohnung“, die Installation, per Konzept alleine, ohne Schuhe und solange man will. Als ich sie betrete, weiß ich, dass Felix Buchholz die einzige Person war, zu der seine Großmutter überhaupt noch Kontakt hatte vor ihrem Tod, er hat mir erzählt, wie ihre gemeinsamen Treffen verlaufen sind, was sie dann taten, wie es in ihrer Wohnung aussah, die sie zuletzt eigentlich kaum mehr verließ, was er über ihr Leben wusste, ihre Eigenheiten und Ansichten, und was das mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner eigenen Biografie zu tun hatte. Ich wusste, dass er eines Tages zu einem, wie immer, per Postkarte angekündigten Besuch vorbeikommen wollte und sie zum ersten Mal nicht öffnete, und dass, als die Polizei ihm ein paar Stunden später die Tür aufbrach, sich herausstellte, dass das nicht zum ersten Mal passierte, sondern bereits einige Tage zuvor das Gleiche passiert war, auf Anruf der Nachbarn hin, wegen des Geruchs. Und dass sie nur zwei Tage zuvor, vor seinem Besuch, alleine beerdigt worden sei. Von ihrer eigenen Beerdigung hatte sie eine genaue Vorstellung, die sie mit Felix abgesprochen hatte. So ist es unweit mehr als eine verpasste Chance, ein Abschiedsritual, bei dem allen voran Felix Buchholz nicht Abschied nehmen konnte.
Als ich die Installation betrete, habe ich im Nacken, die Vorstellung ebenjener Person und so mein ich dann manchmal mich umdrehen zu müssen, obwohl ich weiß, dass ich allein in der Stoffwohnung bin. Ich geh ins Wohn-/Schlafzimmer, dort steht, zentral, ein Bett, ein Sarg, eine Totenaufbahrung, in die man sich legen kann, oder soll, oder man soll sich zumindest fragen ob man sich hineinlegen soll oder eben nicht. Oben drauf ist Lavendel gepflanzt, Stoffe, Motten, Lavendel, und als ich mich hinlege gehen drinnen im Sarkophag hinter Stoff verkleidete Leuchtstoffröhren an, sie klicken und brummen, und ich erschrecke mich zu Tode. Ein bisschen ist das jetzt wie auf dem Seziertisch zu liegen, aber es ist auch nicht so unangenehm, dass ich sofort wieder gehen möchte. Beobachtet komme ich mir noch immer vor, so, als ob ich durch die von außen beleuchteten dünnen Stoffwände von dem Künstler, also Felix Buchholz, vielleicht beobachtet werden würde.
Deutungshoheit zu haben ist ein genuin künstlerisches Moment, nur, je mehr eine Geschichte den Anspruch auf eine individuelle Erfahrung, oder Authentizität hat, desto schleichender kommt die Einsicht, dass mit dem angenommenen Tod seiner Großmutter Felix in jeglichen Sinne zu ihrem Alleinerben geworden ist, zur Deutungshoheit auch über ihr Leben, und so zelebriert er hier eine zweite Totenwache. Im Bad geht ein Fön an, ich denke, aha, es ist doch jemand zweites hier, vorher erschrecke ich zu Tode durch das Geräusch, das mich aus meiner arglosen Haltung, der kontemplativen Situation reist. Ich schleiche mich ins Bad, wo einige Föns von der Decke hängen, die jetzt wild im Raum hin- und herschlackern, vom Rückstoß des Föndrucks, der aus dem Nichts gekommen sein muss. Im Flur, der auch, weiß ich, hat er mir erzählt, als Küche genutzt wurde, gibt es ein kleines Stoffloch, eine Höhle für den Kopf in der Wand, eine Aufforderung sich auf den Rücken zu legen und das darin laufende Video über sich anzusehen, von der originalen, nur leergeräumten Wohnung, während Felix die Wohnung beschreibt. Während ich da liege und meine Füße, abgetrennt von meinem Kopf aufgestellt in dem Flur seiner verstorbenen Großmutter liegen, denke ich, wenn sie das sehen könnte, das wäre eine sehr schöne One Minute Sculpture. Also, ich werde das Gefühl nicht los, man beobachtet mich.
35qm sind es insgesamt, einmal geh ich noch durch die Wohnung, auf dem Weg nach draußen ziehe ich meine Schuhe wieder an, ihre stehen noch immer fein aufgereiht da. Im Foyer der Gellertstraße 14, in dem man sich jetzt wieder befindet, findet man auf dem dort an der Treppe angebrachten Lift liegt ein bedrucktes Handtuch liegen, bedruckt mit einem Foto der Frau, die Felix Großmutter ist. Sie hat ein Kleidungsstück mit Leoprint an und sieht sehr schick aus damit, ein bisschen makaber ist das schon, sie liegt da so flach auf dem Treppenlift, sieht aber ganz zufrieden dabei aus. Daneben findet sich am Boden so eine Art Schrein, und über all dem hängt eine schwarze Flagge, eben, Totenwache. Und Felix, der Totenwächter?, weil, was man nicht vergessen darf, niemand hat sich die Ausstellung angesehen, ohne, dass er die Haustür geöffnet hat, und ohne, dass er wieder da war, wenn man rauskam. Wenn man dann mit ihm gesprochen hat, haben drinnen die Föns immer noch weitergeturnt von Zeit zu Zeit und vielleicht hat er einem dann erst mal ein Glas Leitungswasser angeboten.
Text von Judith Milz.
Die Ausstellung "Seeing With Four Eyes" verfolgt die Objektbiografie der Statue Ngonnso' aus Kamerun durch verschiedene geografische, zeitliche und institutionelle Kontexte. Dieser erste Satz ist bereits fehlerhaft. Ist Statue überhaupt ein angemessener Begriff, um eine Figur zu beschreiben, die für die einen ein Lebewesen darstellt, während andere sie lediglich als Beispiel für materielle Kultur betrachten? Und ist Biografie der richtige Begriff, um das Leben eines Artefakts zu beschreiben? Ist sie an ihr materielles Wesen gebunden oder existiert sie schon lange bevor sie aus Holz geschnitzt wurde und lange nachdem sie von Termiten gefressen wurde oder in einem brennenden Museum verloren ging? In dem Bestreben, mehr über Ngonnso' zu erfahren, beschloss ich, sie bei ihrem Namen zu nennen und damit nicht vorzuschreiben, was sie ist. Ich habe versucht, die Fragmente einer Geschichte zu sammeln, die sich nicht zu einem Ganzen zusammenfügen lassen. Ich verfolgte Fäden, die bis zur Entstehungszeit zurückreichen, zu Strafexpeditionen und Kriegshandlungen des deutschen Kolonialreichs, zu Kulturfesten in Kamerun und Europa und zu einem Museum, das versucht, mit seiner Sammlung zurechtzukommen. Ich habe mit Menschen gesprochen, die sich entweder mit Ngonnso' selbst oder mit den Kampagnen, nationalen Gesetzen und der Politik beschäftigt haben, die sie beeinflusst haben und weiterhin beeinflussen. Ngonnso' befindet sich in einem Schwebezustand: Sie wird im Frühjahr 2019 von einem Museumsdepot am Rande Berlins in eine neue Museumseinrichtung im Stadtzentrum transportiert und damit erneut von einem gelagerten Objekt in ein Ausstellungsobjekt verwandelt. Zugleich ist sie Gegenstand laufender Restitutionsverhandlungen zwischen dem Oberhäuptling des Königreichs Nso', Fon Sehm Mbinglo I, dem Staat Kamerun, dem Ethnologischen Museum Berlin und dem deutschen Staat. "Seeing With Four Eyes" bietet einen Raum, um über diese Einheit in ihren vielfältigen und widersprüchlichen Dimensionen zu reflektieren.
The exhibition "Seeing With Four Eyes" follows the object biography of the statue Ngonnso’ from Cameroon through different geographical, temporal and institutional contexts. This first sentence is already flawed. Is statue even an adequate term to describe a figure that represents a living being to some people, while others merely see it as an example of material culture? And is biography the right term to describe the life of an artifact? Is it bound to its material being or does it exist well before it is carved out of wood and long after it is eaten by termites or lost in a burning museum? In the endeavour to learn more about Ngonnso’, I decided to call her by her name, thereby not predefining what she is. I tried to gather the fragments of a story that do not form a whole. I followed threads that go back to the time of creation, to punitive expeditions and acts of war carried out by the German colonial empire, cultural festivals in Cameroon and Europe, and to a museum trying to come to terms with its collection. I talked to people who have engaged either with Ngonnso’ herself or with the campaigns, national laws, and politics that have influenced and continue to influence her. Ngonnso’ is in a state of limbo: she will be transported from a museum depot in the outskirts of Berlin to a new museum institution in the city centre in the spring of 2019, once again being transformed from a stored object into an exhibition object. At the same time, she is subject of ongoing restitution negotiations between the paramount chief of the kingdom Nso’, Fon Sehm Mbinglo I, the state of Cameroon, the Ethnological Museum Berlin and the German state. "Seeing With Four Eyes" offers a space to reflect upon this entity through its multiple and contradictory dimensions.
Die Ausstellung "Seeing With Four Eyes" verfolgt die Objektbiografie der Statue Ngonnso' aus Kamerun durch verschiedene geografische, zeitliche und institutionelle Kontexte. Dieser erste Satz ist bereits fehlerhaft. Ist Statue überhaupt ein angemessener Begriff, um eine Figur zu beschreiben, die für die einen ein Lebewesen darstellt, während andere sie lediglich als Beispiel für materielle Kultur betrachten? Und ist Biografie der richtige Begriff, um das Leben eines Artefakts zu beschreiben? Ist sie an ihr materielles Wesen gebunden oder existiert sie schon lange bevor sie aus Holz geschnitzt wurde und lange nachdem sie von Termiten gefressen wurde oder in einem brennenden Museum verloren ging? In dem Bestreben, mehr über Ngonnso' zu erfahren, beschloss ich, sie bei ihrem Namen zu nennen und damit nicht vorzuschreiben, was sie ist. Ich habe versucht, die Fragmente einer Geschichte zu sammeln, die sich nicht zu einem Ganzen zusammenfügen lassen. Ich verfolgte Fäden, die bis zur Entstehungszeit zurückreichen, zu Strafexpeditionen und Kriegshandlungen des deutschen Kolonialreichs, zu Kulturfesten in Kamerun und Europa und zu einem Museum, das versucht, mit seiner Sammlung zurechtzukommen. Ich habe mit Menschen gesprochen, die sich entweder mit Ngonnso' selbst oder mit den Kampagnen, nationalen Gesetzen und der Politik beschäftigt haben, die sie beeinflusst haben und weiterhin beeinflussen. Ngonnso' befindet sich in einem Schwebezustand: Sie wird im Frühjahr 2019 von einem Museumsdepot am Rande Berlins in eine neue Museumseinrichtung im Stadtzentrum transportiert und damit erneut von einem gelagerten Objekt in ein Ausstellungsobjekt verwandelt. Zugleich ist sie Gegenstand laufender Restitutionsverhandlungen zwischen dem Oberhäuptling des Königreichs Nso', Fon Sehm Mbinglo I, dem Staat Kamerun, dem Ethnologischen Museum Berlin und dem deutschen Staat. "Seeing With Four Eyes" bietet einen Raum, um über diese Einheit in ihren vielfältigen und widersprüchlichen Dimensionen zu reflektieren.
The exhibition "Seeing With Four Eyes" follows the object biography of the statue Ngonnso’ from Cameroon through different geographical, temporal and institutional contexts. This first sentence is already flawed. Is statue even an adequate term to describe a figure that represents a living being to some people, while others merely see it as an example of material culture? And is biography the right term to describe the life of an artifact? Is it bound to its material being or does it exist well before it is carved out of wood and long after it is eaten by termites or lost in a burning museum? In the endeavour to learn more about Ngonnso’, I decided to call her by her name, thereby not predefining what she is. I tried to gather the fragments of a story that do not form a whole. I followed threads that go back to the time of creation, to punitive expeditions and acts of war carried out by the German colonial empire, cultural festivals in Cameroon and Europe, and to a museum trying to come to terms with its collection. I talked to people who have engaged either with Ngonnso’ herself or with the campaigns, national laws, and politics that have influenced and continue to influence her. Ngonnso’ is in a state of limbo: she will be transported from a museum depot in the outskirts of Berlin to a new museum institution in the city centre in the spring of 2019, once again being transformed from a stored object into an exhibition object. At the same time, she is subject of ongoing restitution negotiations between the paramount chief of the kingdom Nso’, Fon Sehm Mbinglo I, the state of Cameroon, the Ethnological Museum Berlin and the German state. "Seeing With Four Eyes" offers a space to reflect upon this entity through its multiple and contradictory dimensions.
Die Ausstellung "Seeing With Four Eyes" verfolgt die Objektbiografie der Statue Ngonnso' aus Kamerun durch verschiedene geografische, zeitliche und institutionelle Kontexte. Dieser erste Satz ist bereits fehlerhaft. Ist Statue überhaupt ein angemessener Begriff, um eine Figur zu beschreiben, die für die einen ein Lebewesen darstellt, während andere sie lediglich als Beispiel für materielle Kultur betrachten? Und ist Biografie der richtige Begriff, um das Leben eines Artefakts zu beschreiben? Ist sie an ihr materielles Wesen gebunden oder existiert sie schon lange bevor sie aus Holz geschnitzt wurde und lange nachdem sie von Termiten gefressen wurde oder in einem brennenden Museum verloren ging? In dem Bestreben, mehr über Ngonnso' zu erfahren, beschloss ich, sie bei ihrem Namen zu nennen und damit nicht vorzuschreiben, was sie ist. Ich habe versucht, die Fragmente einer Geschichte zu sammeln, die sich nicht zu einem Ganzen zusammenfügen lassen. Ich verfolgte Fäden, die bis zur Entstehungszeit zurückreichen, zu Strafexpeditionen und Kriegshandlungen des deutschen Kolonialreichs, zu Kulturfesten in Kamerun und Europa und zu einem Museum, das versucht, mit seiner Sammlung zurechtzukommen. Ich habe mit Menschen gesprochen, die sich entweder mit Ngonnso' selbst oder mit den Kampagnen, nationalen Gesetzen und der Politik beschäftigt haben, die sie beeinflusst haben und weiterhin beeinflussen. Ngonnso' befindet sich in einem Schwebezustand: Sie wird im Frühjahr 2019 von einem Museumsdepot am Rande Berlins in eine neue Museumseinrichtung im Stadtzentrum transportiert und damit erneut von einem gelagerten Objekt in ein Ausstellungsobjekt verwandelt. Zugleich ist sie Gegenstand laufender Restitutionsverhandlungen zwischen dem Oberhäuptling des Königreichs Nso', Fon Sehm Mbinglo I, dem Staat Kamerun, dem Ethnologischen Museum Berlin und dem deutschen Staat. "Seeing With Four Eyes" bietet einen Raum, um über diese Einheit in ihren vielfältigen und widersprüchlichen Dimensionen zu reflektieren.
The exhibition "Seeing With Four Eyes" follows the object biography of the statue Ngonnso’ from Cameroon through different geographical, temporal and institutional contexts. This first sentence is already flawed. Is statue even an adequate term to describe a figure that represents a living being to some people, while others merely see it as an example of material culture? And is biography the right term to describe the life of an artifact? Is it bound to its material being or does it exist well before it is carved out of wood and long after it is eaten by termites or lost in a burning museum? In the endeavour to learn more about Ngonnso’, I decided to call her by her name, thereby not predefining what she is. I tried to gather the fragments of a story that do not form a whole. I followed threads that go back to the time of creation, to punitive expeditions and acts of war carried out by the German colonial empire, cultural festivals in Cameroon and Europe, and to a museum trying to come to terms with its collection. I talked to people who have engaged either with Ngonnso’ herself or with the campaigns, national laws, and politics that have influenced and continue to influence her. Ngonnso’ is in a state of limbo: she will be transported from a museum depot in the outskirts of Berlin to a new museum institution in the city centre in the spring of 2019, once again being transformed from a stored object into an exhibition object. At the same time, she is subject of ongoing restitution negotiations between the paramount chief of the kingdom Nso’, Fon Sehm Mbinglo I, the state of Cameroon, the Ethnological Museum Berlin and the German state. "Seeing With Four Eyes" offers a space to reflect upon this entity through its multiple and contradictory dimensions.
Was bleibt von einem Jubiläum anlässlich 200 Jahre Badischer Kunstverein? Nach einer intensiven Recherche zu der Geschichte des Hauses und den Ausstellungen haben wir uns gefragt, was im vergangenen Jahr zur Sprache kam und was noch unbeantwortet blieb. Als Nachklang des Jubiläums möchten wir noch einmal auf eine Besonderheit der Kunstvereinsarbeit zurückkommen: Auf die Geschichte der Jahresgaben. Parallel zur Mitgliederausstellung war es nur möglich, einen kleinen Teil der noch vorhandenen Jahresgaben und Editionen zu präsentieren, dabei sind es gerade diese eher ephemeren und flexibleren Formate, die die unterschiedlichen Programmatiken des Kunstvereins auf signifikante Weise abbilden.
Entstanden ist eine Ausstellung fast aller noch vorhandenen Jahresgaben und Editionen aus den Jahren 1842 – 2017, von denen einige seit langer Zeit erstmals wieder öffentlich präsentiert werden. Unter den Arbeiten befinden sich einige in Vergessenheit geratene und vergriffene Editionen, die während der Recherchen für das 200-jährige Jubiläum wiederentdeckt oder von Mitgliedern für die Präsentation zur Verfügung gestellt wurden. Bemerkenswert sind zum Beispiel die aus dem Privatbesitz von Schloss Salem zur Verfügung gestellten Mappen mit Vereinsgaben aus den Jahren 1904 bis 1919, unter anderem die Grafik Marabu von Friedrich Barth. Die Ausstellung zeigt außerdem Werke aus dem frühen Kontext der Staatlichen Kunstakademie Karlsruhe, wie beispielsweise Arbeiten von Walter Conz und Hermann Kupferschmid. Außerdem zu sehen sind drei herausragende Drucke von Karl Hubbuch sowie Editionen von Otto Piene oder eine Arbeit von Wolf Vostell, der in der wegweisenden Gruppenausstellung Kunst und Politik (1970) vertreten war. Die Einordnung aller Arbeiten in die Ausstellungsgeschichte wird anhand von Plakaten, Katalogen und Schriftstücken visualisiert, zugleich soll das Prinzip der Jahresgaben und deren Genese kritisch untersucht werden.
Erstmalig beschäftigt sich ein Kunstverein mit diesem ihm eigenen Prinzip der Jahresgaben, die von ausgewählten Künstler*innen dem Verein zur Verfügung gestellt oder neu produziert werden, um sie anschließend an die Mitglieder zu verkaufen. Die Anfänge der Jahresgabenwerke sind dabei eng mit der Entstehungsgeschichte des Kunstmarktes verknüpft und einmal im Jahr wird der Kunstverein in den Kreislauf von Ankauf und Verkauf von Kunstwerken eingeschleust. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit der Presse für die Jahresgaben der Kunstvereine deutlich gestiegen, große Artikel in Die Zeit, der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung präsentieren einen Querschnitt der angebotenen Werke aus den Institutionen. Ebenso widmen sich internationale Kunstzeitschriften einer regelmäßigen Berichterstattung über das alljährliche Jahresgabenangebot. Die Preise sind verlockend, denn oftmals sind die Arbeiten unter Galeriepreis zu erhalten und schon längst sind die Werke nicht mehr nur Mitgliedern zugänglich, sondern oftmals auch für Nichtmitglieder – zumeist gegen einen Aufpreis – käuflich zu erwerben.
Ein Team aus Kunsthistoriker*innen, Kunstwissenschaftler*innen, Szenograf*innen und Gestalter*innen hat sich mit Fragen der Präsentation und Kontextualisierung der Jahresgaben im Badischen Kunstverein auseinandergesetzt. Für die Präsentation ist eine mehrdimensionale Ausstellungsstruktur entstanden, die sich durch alle Räume des Kunstvereins zieht. Diese Struktur entwickelt sich aus dem sukzessiven Abtragen der Oberflächen und macht das zugrunde liegende Rohmaterial sichtbar, um dadurch neue architektonische und inhaltliche Zusammenhänge zu verdeutlichen. Die Vielzahl der Gattungen und Medien der Jahresgaben wuchs in den letzten zwei Jahrhunderten:
Von Sammelmappen über Losverfahren bis hin zu individuell erwerblichen Editionen und Unikaten, durchlief das Konzept eine ähnliche Entwicklung wie die Programmatik der Kunstvereine. Der Fokus liegt dabei besonders auf den historischen Werken, die durch die Ausstellung aus multiplen Perspektiven neu betrachtet und positioniert werden.
Nicht nur die Jahresgaben haben eine lange Tradition, auch die Salongespräche gehen auf die Gründung des Kunstvereins zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Diesen Salon möchten wir im Rahmen unserer Reihe MITTWOCHS IM KUNSTVEREIN wieder aufleben lassen. Jeden Mittwoch während der Ausstellungsdauer wird es einen kurzen Vortrag, eine Bildbetrachtung oder einen performativen Beitrag in Bezug auf die Ausstellung und das Konzept der Jahresgaben geben. Die genaueren Informationen zu den Veranstaltungen entnehmen Sie bitte in Kürze unserer Website, den Auslagen in der Ausstellung und über unsere Sozialen Netzwerke.
What remains of an anniversary celebrating 200 years of the Badischer Kunstverein? After intensive research into the history of the Kunstverein and its exhibitions, we asked ourselves what was discussed last year and what remained unanswered. As an echo of the anniversary, we would like to return to a special feature of the Kunstverein's work: The history of the annual gifts. Parallel to the members' exhibition, it was only possible to present a small number of the remaining annual editions and editions, although it is precisely these more ephemeral and flexible formats that significantly reflect the Kunstverein's various programs.
The result is an exhibition of almost all the remaining annual editions and editions from the years 1842 - 2017, some of which are being presented to the public for the first time in a long time.
The works include some forgotten and out-of-print editions that were rediscovered during the research for the 200th anniversary or made available by members for the presentation.Noteworthy, for example, are the portfolios of association gifts from the years 1904 to 1919 from the private collection of Salem Castle, including the graphic Marabu by Friedrich Barth.The exhibition also shows works from the early context of the Karlsruhe State Academy of Art, such as works by Walter Conz and Hermann Kupferschmid.Also on display are three outstanding prints by Karl Hubbuch as well as editions by Otto Piene and a work by Wolf Vostell, who was represented in the groundbreaking group exhibition Kunst und Politik (Art and Politics, 1970). Posters, catalogs and documents will be used to visualize how all the works fit into the exhibition history, while the principle of the Jahresgaben and their genesis will be critically examined.
This is the first time that an art association has engaged with this principle of annual gifts, which are made available to the association by selected artists or newly produced and then sold to the members.
The beginnings of the Jahresgabenwerke are closely linked to the history of the art market and once a year the Kunstverein is involved in the cycle of buying and selling artworks.In recent years, press attention for the Kunstvereine's annual gifts has increased significantly, with major articles in Die Zeit, the Süddeutsche Zeitung and the Frankfurter Allgemeine Zeitung presenting a cross-section of the works on offer from the institutions.International art magazines also regularly report on the annual offerings.The prices are tempting, as the works are often available for less than the gallery price and the works are no longer only accessible to members, but can often also be purchased by non-members - usually for an additional charge.
A team of art historians, art scholars, scenographers and designers has addressed questions of presentation and contextualization of the annual editions at the Badischer Kunstverein.
A multidimensional exhibition structure has been created for the presentation, which runs through all the rooms of the Kunstverein.
This structure develops from the successive removal of surfaces and makes the underlying raw material visible in order to illustrate new architectural and contextual connections.The variety of genres and media of the annual editions has grown over the last two centuries:
From collector's folders and lottery procedures to individually acquired editions and unique pieces, the concept underwent a similar development to the program of the Kunstvereine. The focus is particularly on the historical works, which are viewed and repositioned from multiple perspectives in the exhibition.
Not only do the annual exhibitions have a long tradition, the salon discussions also date back to the founding of the Kunstverein at the beginning of the 19th century.
We would like to revive this salon as part of our MITTWOCHS IM KUNSTVEREIN series.
Every Wednesday during the exhibition period, there will be a short lecture, a picture viewing or a performative contribution relating to the exhibition and the concept of the Jahresgaben.
More detailed information on the events will soon be available on our website, in the exhibition displays and via our social networks.
Was bleibt von einem Jubiläum anlässlich 200 Jahre Badischer Kunstverein? Nach einer intensiven Recherche zu der Geschichte des Hauses und den Ausstellungen haben wir uns gefragt, was im vergangenen Jahr zur Sprache kam und was noch unbeantwortet blieb. Als Nachklang des Jubiläums möchten wir noch einmal auf eine Besonderheit der Kunstvereinsarbeit zurückkommen: Auf die Geschichte der Jahresgaben. Parallel zur Mitgliederausstellung war es nur möglich, einen kleinen Teil der noch vorhandenen Jahresgaben und Editionen zu präsentieren, dabei sind es gerade diese eher ephemeren und flexibleren Formate, die die unterschiedlichen Programmatiken des Kunstvereins auf signifikante Weise abbilden.
Entstanden ist eine Ausstellung fast aller noch vorhandenen Jahresgaben und Editionen aus den Jahren 1842 – 2017, von denen einige seit langer Zeit erstmals wieder öffentlich präsentiert werden. Unter den Arbeiten befinden sich einige in Vergessenheit geratene und vergriffene Editionen, die während der Recherchen für das 200-jährige Jubiläum wiederentdeckt oder von Mitgliedern für die Präsentation zur Verfügung gestellt wurden. Bemerkenswert sind zum Beispiel die aus dem Privatbesitz von Schloss Salem zur Verfügung gestellten Mappen mit Vereinsgaben aus den Jahren 1904 bis 1919, unter anderem die Grafik Marabu von Friedrich Barth. Die Ausstellung zeigt außerdem Werke aus dem frühen Kontext der Staatlichen Kunstakademie Karlsruhe, wie beispielsweise Arbeiten von Walter Conz und Hermann Kupferschmid. Außerdem zu sehen sind drei herausragende Drucke von Karl Hubbuch sowie Editionen von Otto Piene oder eine Arbeit von Wolf Vostell, der in der wegweisenden Gruppenausstellung Kunst und Politik (1970) vertreten war. Die Einordnung aller Arbeiten in die Ausstellungsgeschichte wird anhand von Plakaten, Katalogen und Schriftstücken visualisiert, zugleich soll das Prinzip der Jahresgaben und deren Genese kritisch untersucht werden.
Erstmalig beschäftigt sich ein Kunstverein mit diesem ihm eigenen Prinzip der Jahresgaben, die von ausgewählten Künstler*innen dem Verein zur Verfügung gestellt oder neu produziert werden, um sie anschließend an die Mitglieder zu verkaufen. Die Anfänge der Jahresgabenwerke sind dabei eng mit der Entstehungsgeschichte des Kunstmarktes verknüpft und einmal im Jahr wird der Kunstverein in den Kreislauf von Ankauf und Verkauf von Kunstwerken eingeschleust. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit der Presse für die Jahresgaben der Kunstvereine deutlich gestiegen, große Artikel in Die Zeit, der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung präsentieren einen Querschnitt der angebotenen Werke aus den Institutionen. Ebenso widmen sich internationale Kunstzeitschriften einer regelmäßigen Berichterstattung über das alljährliche Jahresgabenangebot. Die Preise sind verlockend, denn oftmals sind die Arbeiten unter Galeriepreis zu erhalten und schon längst sind die Werke nicht mehr nur Mitgliedern zugänglich, sondern oftmals auch für Nichtmitglieder – zumeist gegen einen Aufpreis – käuflich zu erwerben.
Ein Team aus Kunsthistoriker*innen, Kunstwissenschaftler*innen, Szenograf*innen und Gestalter*innen hat sich mit Fragen der Präsentation und Kontextualisierung der Jahresgaben im Badischen Kunstverein auseinandergesetzt. Für die Präsentation ist eine mehrdimensionale Ausstellungsstruktur entstanden, die sich durch alle Räume des Kunstvereins zieht. Diese Struktur entwickelt sich aus dem sukzessiven Abtragen der Oberflächen und macht das zugrunde liegende Rohmaterial sichtbar, um dadurch neue architektonische und inhaltliche Zusammenhänge zu verdeutlichen. Die Vielzahl der Gattungen und Medien der Jahresgaben wuchs in den letzten zwei Jahrhunderten:
Von Sammelmappen über Losverfahren bis hin zu individuell erwerblichen Editionen und Unikaten, durchlief das Konzept eine ähnliche Entwicklung wie die Programmatik der Kunstvereine. Der Fokus liegt dabei besonders auf den historischen Werken, die durch die Ausstellung aus multiplen Perspektiven neu betrachtet und positioniert werden.
Nicht nur die Jahresgaben haben eine lange Tradition, auch die Salongespräche gehen auf die Gründung des Kunstvereins zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Diesen Salon möchten wir im Rahmen unserer Reihe MITTWOCHS IM KUNSTVEREIN wieder aufleben lassen. Jeden Mittwoch während der Ausstellungsdauer wird es einen kurzen Vortrag, eine Bildbetrachtung oder einen performativen Beitrag in Bezug auf die Ausstellung und das Konzept der Jahresgaben geben. Die genaueren Informationen zu den Veranstaltungen entnehmen Sie bitte in Kürze unserer Website, den Auslagen in der Ausstellung und über unsere Sozialen Netzwerke.
What remains of an anniversary celebrating 200 years of the Badischer Kunstverein? After intensive research into the history of the Kunstverein and its exhibitions, we asked ourselves what was discussed last year and what remained unanswered. As an echo of the anniversary, we would like to return to a special feature of the Kunstverein's work: The history of the annual gifts. Parallel to the members' exhibition, it was only possible to present a small number of the remaining annual editions and editions, although it is precisely these more ephemeral and flexible formats that significantly reflect the Kunstverein's various programs.
The result is an exhibition of almost all the remaining annual editions and editions from the years 1842 - 2017, some of which are being presented to the public for the first time in a long time.
The works include some forgotten and out-of-print editions that were rediscovered during the research for the 200th anniversary or made available by members for the presentation.Noteworthy, for example, are the portfolios of association gifts from the years 1904 to 1919 from the private collection of Salem Castle, including the graphic Marabu by Friedrich Barth.The exhibition also shows works from the early context of the Karlsruhe State Academy of Art, such as works by Walter Conz and Hermann Kupferschmid.Also on display are three outstanding prints by Karl Hubbuch as well as editions by Otto Piene and a work by Wolf Vostell, who was represented in the groundbreaking group exhibition Kunst und Politik (Art and Politics, 1970). Posters, catalogs and documents will be used to visualize how all the works fit into the exhibition history, while the principle of the Jahresgaben and their genesis will be critically examined.
This is the first time that an art association has engaged with this principle of annual gifts, which are made available to the association by selected artists or newly produced and then sold to the members.
The beginnings of the Jahresgabenwerke are closely linked to the history of the art market and once a year the Kunstverein is involved in the cycle of buying and selling artworks.In recent years, press attention for the Kunstvereine's annual gifts has increased significantly, with major articles in Die Zeit, the Süddeutsche Zeitung and the Frankfurter Allgemeine Zeitung presenting a cross-section of the works on offer from the institutions.International art magazines also regularly report on the annual offerings.The prices are tempting, as the works are often available for less than the gallery price and the works are no longer only accessible to members, but can often also be purchased by non-members - usually for an additional charge.
A team of art historians, art scholars, scenographers and designers has addressed questions of presentation and contextualization of the annual editions at the Badischer Kunstverein.
A multidimensional exhibition structure has been created for the presentation, which runs through all the rooms of the Kunstverein.
This structure develops from the successive removal of surfaces and makes the underlying raw material visible in order to illustrate new architectural and contextual connections.The variety of genres and media of the annual editions has grown over the last two centuries:
From collector's folders and lottery procedures to individually acquired editions and unique pieces, the concept underwent a similar development to the program of the Kunstvereine. The focus is particularly on the historical works, which are viewed and repositioned from multiple perspectives in the exhibition.
Not only do the annual exhibitions have a long tradition, the salon discussions also date back to the founding of the Kunstverein at the beginning of the 19th century.
We would like to revive this salon as part of our MITTWOCHS IM KUNSTVEREIN series.
Every Wednesday during the exhibition period, there will be a short lecture, a picture viewing or a performative contribution relating to the exhibition and the concept of the Jahresgaben.
More detailed information on the events will soon be available on our website, in the exhibition displays and via our social networks.