Ein Wohnhaus in Berlin: darin ein alter Trinker, ein lesbisches Paar, ein Geflüchteter, eine depressive Frau und ihr Ex-Mann. Im Stück „Zu unseren Füßen, das Gold, aus dem Boden verschwunden“ von Svealena Kutschke entspinnen sich im Alltag jener Figuren Fragen nach unserem Umgang mit dem Fremdem – sei es kultureller oder ideologischer Couleur. Die voyeuristische Situation, in welcher sich jegliche Erkenntnis nur durch die Blicke und Zuschreibungen der Nachbarn vollzieht, wurde hierfür in eine panoptische Szenografie übersetzt. Darin bewohnen die Schauspieler gemeinsam mit den Zuschauern Vorder- und Hinterhaus sowie die Seitenflügel, um so gleichsam eine diskursive wie affizierende Arena aufzuspannen. In der Mitte, ein Spiegel. Jene Leerstelle fungiert zugleich – in Form des Hinterhofs – als Austragungsort der einsamen Monologe wie auch als räumlicher Akteur für den, in der Besetzung nicht vorgesehenen, Flüchtling. Ob und wie jene Figur durch die Spiegelreflexion eine Stimme erlangt oder ob die Anwesenden in der Betrachtung lediglich auf sich selbst zurückgeworfen werden, bleibt bewusst eine offene, ungelöste Frage.
Das neue Stück „Frau Ada denkt Unerhörtes“ handelt von der ersten Programmiererin der Welt, Ada Lovelace. Es beschreibt Adas Leben in zwei Teilen: Einem biografischen aber stark verfremdeten ersten Teil, der durch seine Dialoge und Besetzung eher Traumhaft wirkt, und einem realistisch anmutenden zweiten Teil, in dem eine Zukunft erdacht wird, in der eine der Maschinen, die Ada einst erfand, die Macht über die Menschheit an sich nimmt.
Unsere Kulisse bestand aus einem leicht durchscheinenden Vorhang, der die Bühne in der Mitte teilt. Im ersten Teil des Stücks saßen die Zuschauer auf der Tribüne, für den zweiten Teil wechselten sie die Seite des Vorhangs und saßen dann auf niedrigen Podesten auf der Rückseite der Bühne.
Um die Traumhaftigkeit des ersten Teils darzustellen, zeigten wir dort nur die Schauspielerin von Ada vor dem Vorhang, die anderen drei Schauspieler, welche die Figuren der Mutter und zweier Puppen darstellten, befanden sich hinter dem Vorhang und waren nur durch Schatten auf diesem zu sehen. Das Stück lässt offen, ob Ada mit echten Personen spricht, ob die Ereignisse wirklich passiert sind, oder ob alles nur in Adas Kopf stattfindet. Dieses Verschwimmen aus Fiebertraum und Wirklichkeit wurde durch die Schatten auf dem Vorhang artikuliert. Um dem Publikum dennoch ein Gefühl für die echte Ada Lovelace zu geben, wurden immer wieder Fakten aus ihrem Leben auf den Vorhang projiziert.
Im zweiten, sehr realistisch anmutenden Teil, bei dem sich die Zuschauer auf der anderen Seite des Vorhangs befinden, stehen die drei Schauspieler nun auf der Publikumsseite des Vorhangs in den Rollen dreier Wissenschaftler. Ada, jetzt als Roboter, steht leicht beleuchtet hinter dem Vorhang und scheint wie eine Traumvorstellung trüb durch den Stoff. In dem Moment, als sie zu eigenständigem Leben erwacht, wechselt sie die Seite des Vorhangs, tritt aus dem Traum und übernimmt die Realität.
Neben dem Verschwimmen von Traum und Realität, ist das Stück ebenfalls geprägt von Machtverhältnissen: Im ersten Teil wird Ada von ihrer Mutter und ihren vielen Krankheiten dominiert und muss viel liegen. Die Schauspielerin sitzt im gesamten ersten Teil auf dem Boden. Der Schatten der Mutter hinter ihr ist groß und bedrohlich. Das Publikum sitzt in einer erhöhten Position auf der Tribüne und schaut auf Ada herab.
Im zweiten Teil übernimmt Ada in Form eines Roboters die Macht, das Publikum wird ihr untergeordnet und sitzt auf niedrigen Podesten fast auf dem Boden. Die Wissenschaftler werden von Ada überwunden und verlassen nach und nach den Lichtkegel der Bühne.
In sieben komisch-poetischen Miniaturen beschreibt Caren Jeß menschliche Abgründe im Gewand von Federtieren wie dem Dreckspfau, der Sumpfmeise, tanzenden Flamingos oder dem Bussard im Beton der Vernunft. Ein Stück voller Humor, subtilem Wortwitz und draller Situationskomik.
Im Jahr 2014 präsentierte das Weltkulturen Museum in Frankfurt eine Ausstellung mit dem Titel "Foreign Exchange (or the stories you wouldn't tell a stranger)". Die von Clémentine Deliss und Yvette Mutumba - damals Direktorin bzw. Kuratorin des Museums - kuratierte Ausstellung umfasste einen Überblick über die fotografische Dokumentation der rund 67.000 ethnografische Artefakte umfassenden Sammlung des Museums. Die Bilder stammen von Studiofotografen, die vom Museum beauftragt wurden, und von hauseigenen Fotografen.
Eine Begleitpublikation zur Ausstellung enthält die Niederschrift einer Gruppendiskussion zwischen eingeladenen Künstlern, Schriftstellern, Anthropologen und anderen Kommentatoren, die im Rahmen der Ausstellung organisiert wurde. Hier werden diese historischen Fotografien heftig kritisiert. Als besonders problematisch wird ihre über mehrere Jahrzehnte anhaltende Tendenz angesehen, ethnografische Artefakte isoliert vor einfarbigen, hellen, "ethnisch" gefärbten Hintergründen abzubilden. Diese spezifische Ästhetik wird in der Diskussion als eine Art Kompensation für das außerordentliche Fehlen von Wissen über die Herkunft der abgebildeten Artefakte interpretiert, von denen viele in einer intensiven Periode der Aktivität während der Kolonialzeit durch den Gründungsdirektor des Museums, Bernard Hagen, erworben wurden.
Diese Ausgabe von MAS unternimmt einige elementare bibliografische Schritte, um die Rhetorik der Kritik in "Foreign Exchange" zu qualifizieren, und in Richtung grundlegender Alle in dieser Ausgabe von MAS gezeigten Bilder stammen aus den Büchern, die in der Datenbank vorgestellt werden. Forschung, die Deliss fordert, wenn sie schreibt: "Bis heute gab es keine kritische Analyse der Art und Weise, in der sogenannte Stammeskunstobjekte oder Ethnografika fotografiert wurden, sobald sie von ihrem ursprünglichen Produktionsort entfernt wurden.
Bei dem hier vorgestellten Material handelt es sich um visuelle Untersuchungen, die im Rahmen eines von James Langdon initiierten Seminars an der HfG Karlsruhe im Jahr 2018 durchgeführt wurden. Eine Gruppe von zehn Teilnehmern analysierte eine Sammlung von 56 Ethnographica-Büchern, die zwischen den 1960er Jahren - als der Vollfarbdruck im Museumsbereich üblich wurde - und dem aktuellen Jahrzehnt veröffentlicht wurden. Jedes Jahrzehnt war mit etwa zehn Titeln vertreten, etwa zur Hälfte aus Europa und zur Hälfte aus den USA. Die Sammlung wurde von internationalen ethnographischen Buchhändlern zusammengestellt und ist somit unabhängig von den Interessen der Verlage und der Museen und Einzelpersonen, deren Sammlungen vertreten sind. Innerhalb dieser Parameter wurden die einzelnen Titel visuell ausgewählt, und zwar auf der Grundlage von Studiofotografien afrikanischer Artefakte, die mit der in "Foreign Exchange" beschriebenen Ästhetik übereinstimmen. Es wird daher nicht versucht, das Ausmaß dieser ästhetischen Tendenzen im Bereich der ethnografischen Veröffentlichungen insgesamt zu quantifizieren. Trotz ihres notwendigerweise bescheidenen Umfangs ist allein die geographische und historische Streuung der Sammlung ein Indiz dafür, dass diese Ästhetik weit verbreitet und offenbar unumstritten war und keineswegs nur im Kontext des Weltkulturen Museums oder der deutschen Ethnographica zu finden ist.
Die gesammelten Bücher enthalten insgesamt 10.189 Bilder. Die Teilnehmer analysierten die Bücher direkt und erstellten eine Datenbank mit den bibliografischen Angaben: Umfang, Abmessungen und Themen der Bücher sowie Angaben zu den Fotografien selbst: Farben und Art der verwendeten Hintergründe, Merkmale der Beleuchtung und des Ausschnitts sowie Aspekte der grafischen Gestaltung, die für die Darstellung relevant sind. Die Arbeit wurde dann durch "Anfragen" an diese Datenbank fortgesetzt, wobei Teilmengen von Bildern ermittelt wurden, die für die Diskussion zusammengestellt werden sollten. Die vergleichende visuelle Arbeit erfolgte manuell - nicht am Computer - durch Sortieren und Gruppieren der Bilder auf großen Tabellen. Sieben dieser Anfragen werden auf den folgenden Seiten vorgestellt, wobei die Methodik in kurzen Untertiteln beschrieben wird.
Die Diskussionen wurden durch zeitgenössische und historische Lektüre ergänzt, und während des Seminars wurde die laufende Arbeit durch regelmäßige Beiträge von Gästen, darunter Clémentine Deliss, Jan Hoek, Sarah Owens und Jelly Sarah Kouablan, begleitet. Ihre Kommentare machten uns nur allzu bewusst, dass unsere Position in einer europäischen Kunstschule und unser Vertrauen auf bibliografische Methoden uns trotz unserer besten Absichten dazu verleiteten, den westlichen Blick zu reproduzieren, selbst wenn wir ihn aktiv kritisierten.